Business Model Patterns

Im Rahmen des Forschungsprojektes „Labor für Zukunftsfragen und Innovationen“, kurz LUZI, hat Fraunhofer UMSICHT Geschäftsmodelle für eine Stadtteilfabrik analysiert und aufgearbeitet. Ziel der Aufarbeitung war die Identifizierung potenzieller Geschäftsmodelle, die das lokale Wirtschaften und Konsumieren im Zusammenhang mit einer Stadtteilfabrik stärken. Vor dem Hintergrund, dass eine Stadtteilfabrik aus unterschiedlichen Elementen bestehen kann, die unterschiedliche Wertangebote mit sich bringen, lässt sich grundsätzlich nicht nur eine Zielsetzung verfolgen. Zugleich weichen diese durch den Fokus auf dem lokalen Wirtschaften und Konsumieren erheblich von Geschäftsmodellen für offene Werkstätten, Makerspaces oder FabLabs ab. Dabei bedient sich die Vision einer Stadtteilfabrik an Open Source Gedanken und strebt zugleich eine Professionalisierung bestehender Strukturen mit dem Ziel der Beförderung eines lokalen Wirtschaftens an. Während des Projektes stellten wir fest, dass Formate und wesentliche Methoden zur Kommunikation von potenziellen Kollaborationsprozessen fehlten bzw. nicht angepasst waren. Aus diesem Grund wurden Geschäftsmodellmuster für Workshops vorselektiert, die in Verbindung mit einer Koproduktionsvisualisierung in Form einer Customer Journey in Formaten zur Ergebnissicherung verwendet werden können.

Beispiel lokale individualisierte Produkte

Der Wandel des aktuellen Marktes und daraus entstehenden Anforderungen an den Wertangeboten eines Unternehmens seitens der Kunden erfordern unternehmerische Veränderungen. Individualisierung von Produkten bzw. Mass Customization spielen konsequent eine höhere Rolle in der Marktwirtschaft. Neben der Anpassung der technischen Gegebenheiten, Optimierung von Produkten und Prozessen ist eine weitgehende Veränderung des unternehmenseigenen Geschäftmodells unumgänglich.  Das Lösen von Grenzen zu Kunden, die bisher standardisiert lediglich unter dem Kaufverhalten und distanziert vom Produktentstehungsprozess angenommen wurden sowie das Öffnen von Unternehmensbereichen, um kollaboratives Produzieren und Generieren mit Partnern zu ermöglichen, bilden essenzielle Schlüsselbegriffe in der Betrachtung der Geschäftsmodell Innovation.

Im Rahmen des Projektes ”LUZI” der Kooperation des Fraunhofer Umsicht und den Urbanisten wird die Vision einer Schnittstelle zwischen Unternehmenspartnern sowie Kunden durchleuchtet, die als Plattform dienen soll, die individualisierte Produktion von Gütern durch kollaborative Zusammenarbeit leichter zu realisieren. Dabei werden herkömmliche Customer Journeys sowie die Veränderungen bei individualisierter Produktion mit passenden Business Model Patterns aufgearbeitet. Zur Entwicklung eines funktionierenden Geschäftsmodells passend zum Anwendungsfall werden folgend auf methodischer Weise bekannte Geschäftsmodell Muster (“Business Model Patterns”) aus wissenschaftlicher Literatur identifiziert, um diese nach Relevanz zu selektieren. Weiterhin werden diese in entsprechende Kategorien, orientiert an einer möglichen Customer Journey und Bereichen einer durchlaufenen Business Model Canvas, unterteilt. Als Resultat wird schließlich passend zu beispielhaften Produktkategorien, die sich entsprechend der Auswahl innerhalb des Projektes als besonders bzgl. der Umsetzbarkeit einer Individualisierung erwiesen haben, eine zugehörige Customer Journey mit relevanten “Business Model Patterns” etabliert.

Definition und Elemente eines Business Models

Damit Unternehmen ihre Marktfähigkeit sicherstellen sowie der Konkurrenz gegenüber bestehen bleiben können, benötigen sie u.a. eine ausgeprägte Produkt- und Prozessinnovationsfähigkeit. In heutiger und besonders zukünftiger Marktsituation erfordert es allerdings mehr als dies: Es wird unabdingbar Geschäftsmodelle zu analysieren, weiterzuentwickeln, um ebenso Innovationspotenziale aus Geschäftsmodellen zusätzlich auszuschöpfen, denn Innovation ist ein bedeutsamer Treiber für Wachstum und Marktfähigkeit eines Unternehmens. Ein Geschäftsmodell (eng. Business Model) beschreibt das Grundprinzip, wie eine Organisation Werte schafft, liefert und nutzt (“A business model describes the rationale of how an organization creates, delivers and captures value”) (Osterwalder et al., 2010). Um den Fokuswandel von Technologie- bzw. Produktinnovation hin zu Service-/Geschäftsmodell-Fokus darzustellen, werden Geschäftsmodellanalysen verwendet.

Nach dem Modell nach Gassmann et al., welche den Aufbau bzw. die Elemente eines Geschäftsmodelles abbildet, benötigt es 4 Dimensionen, die in einem Dreieck dargestellt sind. Die Eckpunkte bilden die Fragen nach dem Wert, dem Was und Wie und zuletzt das Zentrum des Dreiecks den Zielkunden abdarstellt. Somit zeichnen sich drei essenzielle Bereiche für die Entwicklung von Geschäftsmodellen sich ab: Nutzenversprechen, Ertragsmechanik und Wertschöpfungskette als treibende Faktoren

  • WERT: Wie wird der Wert im GESCHÄFTSMODELL erzielt?
  • WAS: Was wird dem Kunden angeboten?
  • WIE: Wie wird Leistung hergestellt?

Durch Beantwortung dieser Fragen und der Festlegung der Rahmenbedingungen der obigen drei Bereiche, Nutzenversprechen, Ertragsmechanik, Wertschöpfungsketten, bildet sich ein Geschäftsmodell aus. Dabei beantworten Geschäftsmodelle immer mindestens zwei dieser vier Fragen. Besonders hervorzuhebende Geschäftsmodell-Innovationen basieren auf dem Prinzip nicht nur Wert zu schaffen, sondern ein Nutzen für das eigene Unternehmen zu ziehen (“Create value, capture value”) (Osterwalder et al., 2010). Es werden bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle drei generelle große Herausforderungen erkannt, die das Schöpfen des Geschäftsmodell-Innovationspotenzial vor Schwierigkeiten stellen, allerdings ebenso Potenziale eröffnen und Treiber neuer Betrachtungsweisen von Unternehmensideologien sein können.

Herausforderungen für Geschäftsmodell-Innovation

Unternehmen bilden feste Grenzen zu Kundensegmenten und Konkurrenten sowie Partnern, um Image, Leistung und Knowhow abzusichern. Das Festhalten an Unternehmenskultur und strikte vermeiden von Transparenz nach außen hin, verhindert das Ausschöpfen des vollen Innovationspotenzials. Das Denken außerhalb der Branchen-/Unternehmenslogik bildet so eine große Herausforderung für die Mehrheit der Unternehmen. Eine weitere Schwierigkeit stellt der bisherige Blickwinkel von produzierenden Unternehmen auf die wandelnde Marktstrukturen dar. Durch den Fokus auf Produkt-/Prozessinnovation und somit geringe bis keine Investition in Geschäftsmodellinnovationen wird die Problematik geschaffen sich a) in Geschäftsmodelle reindenken zu können und b) Erfolge weiterhin konsequent im stetigen Marktwandel aufrecht zu erhalten. Dritte große Herausforderung entsteht durch das Fehlen von kreativen Werkzeugen, Methoden, Modellen, um neue Geschäftsmodelle systematisch zu entwickeln oder bestehende zu verändern. Diese Art von Entwicklung wird oft mit Vorurteilen betrachtet, dass es ein zu hoch kreativer Prozess ist, zu abstrakt und Geschäftsmodelle sich zufällig bilden, sodass keine Systematik zu erfassen ist.

An dieser Herausforderung setzt die Ausarbeitung nach Gassmann et al. weiter an, um mit einem empirisch aufgebauten Modell, dem St. Galler Business Model Navigator, eine Methode zu schaffen, die ähnlich wie Konstruktionskataloge für technische Innovationsentwicklung funktionieren soll. Die Entwicklung besteht dabei grundlegend auf der Rekombination von bestehenden Geschäftsmodellen bzw. Geschäftsmodell-Elementen, sogenannten Geschäftsmodell-Mustern (eng. Business Model Patterns) (Gassmann et al., 2017).

Basierend auf diesen Mustern wurden Rahmenbedingungen für eine mögliche Realisierung der Vision einer Stadtteilfabrik erarbeitet.

Business Model Patterns / Geschäftsmodell Muster

Mit dem St. Galler Business Model Navigator steht den Unternehmen eine grundlegende Methode zur Ermöglichung von Geschäftsmodell-Innovationen zur Verfügung. Die Methodik basiert auf durchgeführten Studien nach Gassmann et al. und stellt eine validierte Methode dar, die erfolgversprechende Einwirkungen in diverse Unternehmen und den damit verbundenen Tätigkeiten hatten. Der Business Model Navigator wurde auf dem Prinzip aufgebaut, dass neue Geschäftsmodelle nicht unbedingt neue grundsätzliche Überlegungen erfordern, sondern durch Kombination bekannter Strukturen (Muster) ebenso zum Innovationsziel führen können. Es wurden dabei 55 Muster erfasst, die immer wieder in Kernstrukturen neuer Geschäftsmodelle wiederzufinden waren. Ein Muster wird als eine bestimmte Möglichkeit zur Beantwortung der vier Kernfragen bei der Betrachtung von Geschäftsmodellen (Wer?-Was?-Wie?-Wert?), die sich in Erfolg bisher gewandelt hat, bezeichnet. Zur Nutzung dieser 55 Muster als Basis und der Weiterverwendung für neue Modelle wurden drei Strategien herausgearbeitet, die das gezielte und kreative Kombinieren der bekannten Muster ermöglichen sollen (Gassmann et al., 2017):

  • Übertragen: Die Anwendung bzw. die Übertragung eines bisher existierenden Geschäftsmodells in einer neuen Branche.
  • Kombinieren: Kombination von zwei bis drei Geschäftsmodellen zur Anwendung in der eigenen Branche, sodass Komplexität des Musters gesteigert wird.
  • Wiederholen: Wiederholung bzw. Ausweitung eines erfolgreichen Geschäftmodells auf andere Produktbereiche eines Unternehmens.

Auswahl der Geschäftsmodell Muster

Diese Basis- Werkzeuge zur Bildung neuer Geschäftsmodelle stellt eine zentrale Bedeutsamkeit in der Verwendung des Business Model Navigators dar. Es werden dabei die einzelnen Phasen der Musterfindung und Umsetzung in die sogenannte Design- und Realisierungsphase unterteilt. Die Schritte zur Integration und Adaption eines neues Geschäftmodells wie folgt aus (Gassmann et al., 2017):

  1. Initiierung
  2. Ideenfindung
  3. Integration
  4. Implementierung

Um die Vision einer physischen und digitalen Plattform zur lokalen Vernetzung und Produktion im Format einer Stadtteilfabrik umzusetzen, sind Modelle und Werkzeuge zur Strukturierung notwendig. Neben der grundlegenden Klärung der strukturellen Funktionen, Zielgruppen, der Zweckdefinition der Stadtteilfabrik, dem Wertangebot etc. ist es wichtig ein Geschäftsmodell aufzubauen, das einerseits die Anforderungen an die Vision ausreichend umsetzt und weiterhin fähig ist auf dem Markt zwischen bestehenden individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Strukturen standzuhalten. Um ein geeignetes Geschäftsmodell als Grundlage aufzubauen ist eine strukturierte Vorgehensweise notwendig. Mit einer auf die Thematik der Projektziele orientierten Auswahl an Geschäftsmodell-Mustern sollen durch Nutzung der drei Basisstrategien nach Gassmann ein funktionierendes Geschäftsmodell innerhalb von Workshops aufgebaut werden.

Kriterienauswahl für eine Stadtteilfabrik

Im Rahmen dieses Projektes werden als Grundbaustein die 55 Muster nach Gassmann et al. verwendet und durch eine Literatur ergänzt, in der sämtliche Muster aus verschiedener Literatur aktualisiert inklusive der 55 nach Gassmann zusammengetragen werden (Weking et al., 2018). Um aus dem bestehenden wirkungsvollen Katalog aus Geschäftsmodell-Mustern („ Business Model Patterns“) sich zunächst ein Übersicht zu schaffen, welche Muster zur vorliegenden Thematik eignungsfähig sind, ist ein Prozess der Selektion notwendig. Die Ausrichtung der Muster an dem Projektgegenstand von LUZI, der Stadtteilfabrik, und den damit verbundenen Aktivitäten, schafft Anforderungen, die eine Selektion anhand von gewichteten Kriterien ermöglichen. Die Kriterien sehen wie folgt aus:

  1. Integration der Aktivitäten im Hinblick von „Co-Creation/Co-Production“ möglich
  2. Möglichkeit hoher Kundenintegration und Transparenz gegeben
  3. Umsetzbarkeit in der Stadtteilfabrik als Produktionsstandort
  4. Zutreffen auf lokale Akteure und Unternehmen gleichermaßen
  5. Förderung urbaner Innovationskultur ist gegeben

Die Kriterien wurden zunächst nach der anforderungsorientierten Priorität der Projektmitglieder geordnet, um im nächsten Schritt durch eine für die Konstruktionstechnik bekannte Methode, dem paarweisen Vergleich, Gewichtungsfaktoren zu berechnen, die den Einfluss auf die Bewertung der Muster in darauffolgender Nutzwertanalyse regulieren. Umsetzbarkeit der Muster in einer Stadtteilfabrik und das Zutreffen auf lokale Akteure unabhängig von der Unternehmensgröße bildeten dabei die hoch priorisierten Kriterien, siehe folgende Abbildung 1.

Abbildung 1: Paarweiser Vergleich der 5 aufgestellten Kriterien

Zunächst wurden anhand vorselektierter Literaturquellen, inklusive dem Grundschemata nach Gassmann, alle Muster in alphabetischer Reihenfolge kategorisiert. Die so gebildete Grundstruktur ermöglicht eine erste Bewertung anhand einer simplen Skala. Dabei wurde 0 für gar nicht zutreffend und 10 für vollständig zutreffend angesetzt und die Muster je Kriterium bepunktet (Abbildung 2).

Abbildung 2: Bewertung der Muster anhand einer Skala (0-10)

In einem weiteren Schritt wird die Punktzahl je Kriterium für jedes der Muster mit den Gewichtungsfaktoren verrechnet, und schließlich die Summe gebildet, um einen sogenannten Nutzwert zu erhalten, anhand dessen man beurteilen kann, ob das Geschäftsmodell-Muster mit in die Auswahl aufgenommen wird oder nicht. Die Beurteilung dessen wird durch eine angelegte Grenze von einem Nutzwert von 3 ausgesagt. Liegt der jeweilige Wert für das Muster unter 3, wird es aus der Auswahl für das weitere Vorgehen selektiert (Abbildung 3).

Abbildung 3: Gewichtung und Auswahl anhand des Nutzwert

Mit der Auswahl der Muster werden folgend Workshop-Grundlagen generiert, sowohl physisch in Form von Karten versehen mit individuell entworfenen Icons und Definition in Form eines Spiels zur Generierung eines Business Models passend zu einem individuellen Case mit mind. 2 Gruppen als auch digitalen Form eines Generators, sodass drei Karten digital generiert werden aus denen man wie in physischer Form bei der Nutzung vorgeht. Beides für projekteigene Zwecke innerhalb von Workshops durchgespielt werden, um mögliche Geschäftsmodelle passend zur Vision der Stadtteilfabrik zu generieren.

Tool-Entwicklung Geschäftsmodell Muster Generator

Im Rahmen des Vorhabens wurde u.a. auch ein Tool entwickelt, welches zufällig mindestens drei Geschäftsmodell-Muster nebeneinander anzeigt. Diese können miteinander verbunden werden und bieten so unterschiedliche Potenziale auf. Dies in Verbindung mit der Customer Journey Modeling Language soll die Kreativität bei der Ideengenerierung hinsichtlich neuer Angebote oder Produktideen für eine zukünftige Stadtteilfabrik befördern. Zum Schluss noch eine Übersicht der für uns besonders relevanten Geschäftsmodellmuster:

Literatur

Gassmann, O., Frankenberger, K. & Csik, M. (2017). Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator (2. Aufl.). Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG.

Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010). Business Model Generation. Wiley.

Weking, J., Hein, A., Böhm, M. & Krcmar, H. (2018). A hierarchical taxonomy of business model patterns. Electronic Markets30(3), 447–468. https://doi.org/10.1007/s12525-018-0322-5