Gemeinsam für Stadtwandel: Das Essener Beispiel für Vernetzung und Co-Kreation

Im Talk „Nachhaltig leben und Ressourcen schützen“ am 21.11.2020 im Rahmen von Trash Up! meets LUZI haben wir mit Dortmunder Akteur:innen über Potenziale, Herausforderungen und Visionen gesprochen. Ein wichtiges Thema für lokale Gruppen, Organisationen und Unternehmen, die sich mit der Transformation zur Nachhaltigkeit beschäftigen ist die Vernetzung.

In Essen hat sich dazu das Netzwerk „Gemeinsam für Stadtwandel“ gegründet, das nunmehr ein Zusammenschluss von über 40 verschiedenen Vereinen und Initiativen ist, die sich im Bereich Umwelt- und Klimaschutz engagieren. In einem Gespräch mit Martina Nies haben wir mehr von der Arbeit des Netzwerks erfahren, die derzeit fast ausnahmslos auf ehrenamtlicher Basis erfolgt. Ziel des Netzwerks ist es, die Ressourcen und Kräfte der vielen Initiativen zu bündeln und mehr Öffentlichkeit für das Thema Nachhaltigkeit zu schaffen. Es will dem „Engagement-Burnout“ entgegenwirken und zusammen mit Kommune, Wissenschaft und Wirtschaft die Stadt Essen nachhaltiger gestalten.

Begonnen hat alles mit der Organisation der ersten Essener Klimakonferenz, die im Februar 2020 stattgefunden hat. Seitdem kommen die Initiativen einmal im Monat zum Netzwerktreffen zusammen, entwickeln neue Aktionen und sprechen über anstehende Projekte und darüber, wie das Netzwerk weiter organisiert werden soll. Denn das sei eine der zentralen Fragen, so Martina: Wie kann „Gemeinsam für Stadtwandel“ organisiert werden, so dass es die Arbeit der bestehenden Initiativen unterstützen und ihnen und ihren Anliegen zu mehr Öffentlichkeit verhilft? Dabei spielen vor allem die Schnittstellen zwischen den einzelnen Initiativen eine große Rolle.

Wichtig bei der kontinuierlichen Identitätsfindung eines Netzwerkes sei in jedem Fall, dass die Eigenständigkeit der einzelnen Initiativen nicht unter der Zusammenarbeit leide und „Gemeinsam für Stadtwandel“ ein Projekt der Vielen bleibe. Die große Anzahl dieser Vielen erschwere zwar ab und an die Abstimmung und erfordere eine gewisse Offenheit und Geduld, sei aber im Großen und Ganzen eine Bereicherung und ermögliche viele Projekte, die einzelne Initiativen nicht stemmen könnten.

Das große Ziel all dieser Projekte ist, sich in Form von Aktionen für lebenswerte Städte einzusetzen, die mit einem Blick auf die Zukunft von Allen für Alle gestaltet werden. Wichtig hierbei: die kontinuierliche Einbeziehung möglichst vieler unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Akteur:innen. Denn nur so könne die Vielfalt an Wissen, Erfahrungen, Kräften und Ressourcen, die in der Stadtgesellschaft verfügbar ist, sichtbar und aktiviert werden.

Diese Vielfalt zeigt sich bereits an der großen Bandbreite an unterschiedlichen Initiativen, die Teil des Netzwerkes sind und die eine immer weitere Vernetzung ermöglichen. Vor allem eine Zusammenarbeit mit Politik, Verwaltung und Wissenschaft sei wichtig, um den Impact zu vergrößern. Diese Zusammenarbeit zielführend zu gestalten, den Informationsfluss zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft am Laufen zu halten und die Entwicklung von neuen Projekten und Kampagnen anzustoßen, reicht aber ehrenamtliches Engagement allein nicht aus. Es braucht bezahltes Personal, um nicht im „Engagement-Burnout“ zu versinken. So sollen an der Schnittstelle von Kommune, Wirtschaft, Wissenschaft und freiwilligem Engagement neue Formen der co-kreativen und kollaborativen Zusammenarbeit gefunden werden, die das System Stadt zu einem lebenswerten und zukunftsfähigen Ort für jetzige und nachfolgende Generationen entwickeln.

Dass das Potenzial dafür vorhanden ist, zeigte das Netzwerk im vergangenen Jahr: Durch drei größere Aktionen hat es mit vereinten Kräften geschafft, Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz mehr in die kommunalpolitische und öffentliche Wahrnehmung zu bringen. Gemeinsam entwickelten die Initiativen vor der Kommunalwahl einen Fragenkatalog zu Umwelt- und Klimathemen in neuen Handlungsfeldern den Parteien und die Oberbürgermeisterkandidaten beantworteten. Die Antworten sowie das Video der „Klima-Debatte“ mit den OB-Kandidaten wurde online gestellt, so dass sich jede:r Essner:in informieren konnte. Kurz vor der Wahl veröffentliche das Netzwerk noch eine ganzseitige Anzeige in der Tagespresse, die die Menschen aufforderte, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Mit solchen und weiteren Aktionen sollten diese wichtigen Themen stärker in den politischen Diskurs gelangen und wichtige Ziele, wie die Einhaltung des 1,5°C Ziels oder eine Gemeinwohlorientierung an Priorität in der Öffentlichkeit gewinnen. Eine weiteres öffentlichkeitswirksames und aktivierendes Projekt beginnt jetzt unter dem Titel „Gießkannenheld:innen“. In der ganzen Stadt sollen 1.000l Wassertonnen aufgestellt werden, so dass Bürger:innen die Straßenbäume vor ihrer Haustür besser gießen können. Damit soll sowohl Aufmerksamkeit für das urbane Grün als auch für die durch den Klimawandel immer schwerwiegenderen Hitzeprobleme generiert werden. Als räumliche Manifestation des Gedankens der Zusammenarbeit und Ort für co-kreatives Wirken soll langfristig das „Haus der urbanen Zukunft“ entstehen, welches Räume für kooperative Projekte bereitstellen und einen Anlaufpunkt für die unterschiedlichen Akteur:innen bieten soll.

Auf seinem Weg hat das Netzwerk „Gemeinsam für Stadtwandel“ noch ein paar Nüsse zu knacken. Denn es gilt, aus alten Denkmustern auszusteigen und nicht in den starren Strukturen von Hierarchien und Wachstumsorientierung steckenzubleiben. Nichtsdestotrotz befindet sich das Bündnis auf einem guten Weg, das momentane System zu hinterfragen, der Stadtgesellschaft nachhaltige Impulse zu geben und mit einem immer wachsenden Netzwerk Antworten auf die Fragen der Zukunft zu finden:

Wie wollen wir leben?

Wie soll unsere Stadt der Zukunft aussehen?

Wie wollen wir weitergehen?

Was können wir und jede*r Einzelne von uns tun, um die Lebensqualität vor Ort zu verbessern?

Wie können wir zusammen mit Kommune, Wirtschaft und Wissenschaft aktiv werden?

 

Hier geht‘ zur Website von „Gemeinsam für Stadtwandel“