Neues Miteinander in der Quartiersentwicklung?

Wie können Unternehmen, Wissenschaft, Bürgerschaft und Verwaltung zusammenkommen, um gemeinwohlorientiert einen experimentellen Rahmen zu setzen, in dem Zukunft neu gedacht und erprobt werden kann? Ein Design Thinking Workshop versucht Lösungswege zu skizzieren.

Große Transformationsprojekte, die ehemals industrielle Areale zukünftig in neue gemischte lebenswerte Quartiere gestalten werden, brauchen neue Prozesse der lokalen Partizipation. Neue Themen der Digitalisierung, der Mobilität, des Klimas und des gesellschaftlichen Wandels müssen bedarfsgerecht integriert werden, um nicht an den Menschen vorbei neue urbane Stadtquartiere zu bauen.

Im Labor für urbane Zukunftsfragen und Innovation haben wir uns deshalb das Projekt SMART RHINO genauer angeschaut. Hier sollen neben den formellen Beteiligungsverfahren für die Planrechtschaffung nach Baugesetzbuch „ergänzende informelle Beteiligungsformate umgesetzt werden, um lokales Expert*innenwissen und die Bedürfnisse der Öffentlichkeit frühzeitig in die Entwicklungsprozesse einzubeziehen“ (Quelle: Drucksache Nr.: 21702-21 der Stadt Dortmund).

Nach ersten Nachbarschaftsgesprächen – begleitet durch Wissenschaft und Eigentümergesellschaft – wurde ein erstes Bild der Situation vor Ort sichtbar. Im Anschluss an diesen Auftakt wurden von der Koordinierungsstelle nordwärts der Stadt Dortmund drei Formate zur informellen Beteiligung entwickelt:

  • RHINOvous schafft digitale und analoge Begebnungsmöglichkeiten, weckt Interesse, sensibilisiert für bestehende Herausforderungen und holt durch spielerische Formate wie Kioskgespräche, Erlebniswanderungen und Baustellenführungen Stimmungsbilder aus der Bürgerschaft ein.
  • RHINOforum schafft Raum für den inhaltlichen und themenbezogenen Austausch zwischen Bürger*innen und Fachleuten, deren Inhalte einen maßgeblichen Beitrag zur Qualifizierung des städtebaulichen und freiraumplanerischen Realisierungswettbewerbs leisten.
  • RHINOtopia regt eine breite Öffentlichkeit zur aktiven Mitwirkung an und soll die Außenflächen des Stellwerks 62 vielfältig nutzbar machen. Auf dem Zukunftsdorfplatz können neue Konzepte erprobt, Ideen ausgestellt sowie Austausch und Begegnung initiiert werden.

„Vor dem Hintergrund kurzfristiger Anfragen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft werden zudem die formaljuristischen Voraussetzungen für zeitlich befristete, oftmals forschungsprojektbezogene Nutzungen geprüft“ (Quelle: Drucksache Nr.: 21702-21 der Stadt Dortmund), um das leerstehende aber funktionsfähige Stellwerk in RHINOtopia einbeziehen zu können.

Um dem innovativen Vorhaben geeignete Plattformen zu geben, wird über die Einbeziehung in übergeordnete Prozesse wie der der Ruhr Academy on Smart Sustainable Metropolitan Transformation oder des Neuen Europäischen Bauhauses nachgedacht. Zudem soll in Anknüpfung an den Masterplan Wissenschaft der Stadt Dortmund  die „experimentelle Stadt“ auf dem SMART RHINO Gelände ein Innovationslabor bekommen.

Nach Teilnahme an den ersten Nachbarschaftsgesprächen und Austauschformaten um die Einbindung in übergeordnete Prozesse (siehe vorhgeriger Absatz) sowie dem regelmäßigem Austausch mit zuständigen Stellen bei Eigentümergesellschaft und Stadtverwaltung haben wir im Labor für urbane Zukunftsfragen und Innovation ein Format entwickelt und im September 2021 umgesetzt, um den Prozess um RHINOtopia durch kreative Arbeitsmethoden zu unterstützen.

Multidisziplinarität, Nutzerzentriertheit und lernend-nach-vorne-gehen konnten wir durch die agile Innovationsstrategie des Design Thinkings und die Teilnahme zuständiger Stellen aus Verwaltung, Eigentümergesellschaft und Wissenschaft sicherstellen. Auch wollten wir unter den teilnehmenden Akteuren ein Wir-Gefühl erzeugen, in der jede*r bereit ist, sich an der Arbeit des Teams zu beteiligen. Die Challenge, die sich die Arbeitsgruppe selbst vor Ort gegeben hat lautete: Für wen machen wir das Stellwerk kurzfristig nutzbar und wie? Aus dem Erfahrungshintergrund heraus, Leerstand nur durch Nutzung schützen zu können, sollte die Beantwortung dieser Frage sicherstellen, die Projekte wie RHINOtopia überhaupt zukünftig umsetzen zu können.

Die Herausforderung, der Problemraum, bestand darin, sich in die Lebenswelt des zukünftig Nutzenden zu begeben, um dessen Kontexte, Erwartungen, Erfahrungen und Bedürfnisse zu erschließen. Durch die Methode des Design Thinkings konnten die Teilnehmenden Empathie aufbauen statt eigene Interpretationen und Annahmen zu treffen. Im Ergebnis kamen zwei verschiedene Nutzertypen heraus: Eine jüngere Frau aus der Bürgerschaft, die sich nach den Coronaeinschränkungen nach Austausch und Inspiration sehnt sowie eine ältere Kreativwirtschaftlerin, die besondere Orte für ihr unternehmerisches Handeln benötigt.

Im Lösungsraum wurden aus den Nutzerbedürfnissen heraus Ideen entwickelt und verschiedene Lösungswege skizziert, wie ein Vorgehen zur Ermöglichung der Nutzungen aussehen kann. Im Ergebnis entstand ein Kurzkonzept einer Kreativresidenz, um in geballter zivilgesellschaftlicher Kraft und der besonderen Herangehensweise von Kunst, den Raum möglichst effektiv mit geeigneter Infrastruktur zu versehen und offene, unterstützende Netzwerke aufzubauen. Zudem wurden drei Termine deutlich, die von den zuständigen Stellen organisiert werden müssten, um bürgerschaftliches Engagement projektunterstützend einbeziehen zu können: Einfach realisierbare Brandschutzmaßnahmen zur Sicherstellung einer minimalen Nutzbarkeit des Stellwerks, Organisation zwingend notwendiger Infrastruktur wie Heizung, Internet, Küchenfunktion u.ä. sowie  Konzepterstellung für die Gestaltung von Mietmodellen und Verträgen für die unterschiedlichen Nutzungen.

Die kommenden Monate zeigen, ob die skizzierten Lösunsgwege Umsetzung finden und ein neues Miteinander von Unternehmen, Wissenschaft, Bürgerschaft und Verwaltung in Dortmund am Beispiel der Quartiersentwicklung SMART RHINO funktionieren kann. Ab 2022 sollen die Beteiligungsmaßnahmen beginnen und der Realisierungswettbewerb durchgeführt werden (Quelle: Drucksache Nr.: 21702-21 der Stadt Dortmund).