Jugendbeteiligung in der Stadtentwicklung

Wieso glauben wir, dass Bildung im Bereich Stadtentwicklung besonders für Jugendliche wichtig ist?

Nach Ergebnissen der SINUS-Jugendstudie 2020 nehmen Jugendliche die Vertretung ihrer Interessen in der Politik als ungenügend wahr, sie fühlen sich in ihren Belangen nicht berücksichtigt. Zudem schätzen zahlreiche Jugendliche eine Teilhabe in der Politik als unmöglich ein, da sie über keine Mittel verfügen, die einen Einfluss zulassen würden (vgl. Calmbach et al. 2020: 410, 448).

Dabei wissen Kinder- und Jugendliche wenig über Stadtentwicklung und ihre eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten für die Stadt der Zukunft. Dies ist unter anderem auf die fehlenden Ressourcen bei Schulen und Pädagog:innen zurückzuführen, welche zusätzlichen Stoff, z.B. über Stadt der Zukunft, nicht in den Unterrichtsalltag integrieren können. Zudem gibt es insgesamt zu wenig bottom-up Möglichkeiten für eine Teilhabe.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erläutert die Thematik in seiner Veröffentlichung „Kompass Jugendliche und Stadtentwicklung“ wie folgt: „Die Einbeziehung Jugendlicher in Prozesse der Stadtentwicklung ist auch nach über 40 Jahren Beteiligungskultur in Deutschland noch nicht selbstverständlicher Teil des kommunalen Planungsalltags. Dienstanweisungen und Leitbilder zur Einbeziehung Jugendlicher in die Planung sind hilfreich aber kein Allheilmittel. Sie müssen gelebt und immer wieder neu „gefüllt“ werden. Dabei können auch zeitlich begrenzte Projekte helfen. Im Erfolgsfall können daraus Nachfolgeprojekte initiiert, Projektreihen etabliert oder immer wieder kleine Projekte, z. B. durch Jugendfonds, gefördert und umgesetzt werden. Eine Beteiligungskultur muss eingeübt werden, am besten anhand konkreter Projekte. Dabei kommt es auf die geeignete Gestaltung der Schnittstellen zwischen Jugendlichen und Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft an“ (BMVBS 2013: 36).

An diesem Punkt können Bildungsprojekte im Bereich Stadtentwicklung eingreifen. Hier sollen die Jugendlichen eigene Stärken für die Gemeinschaft entdecken, langfristiges Denken für die Zukunft erlernen und ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass auch kleine Beiträge wichtig sind.

Denn: „Stadtentwicklungsprojekte mit Jugendbeteiligung sind immer auch Bildungsprojekte. […] Dabei geht es nicht nur um handwerkliche Fertigkeiten, sondern auch um Kompetenzen in den Feldern Projektmanagement und Kommunikation. Jugendprojekte in der Stadtentwicklung sind Lernprojekte in gelebter Demokratie. Wer beteiligt ist, kann auch lernen, Verantwortung zu übernehmen und sich zivilgesellschaftlich zu engagieren“ (ebd. 2013: 4). Auch Stange bezeichnet die Ermöglichung von Teilhabe und Mitgestaltung für Kindern und Jugendlichen in der Stadtentwicklung als Teil „Zum Aufwachsen in einer demokratischen Gesellschaft“ (Stange 2008: 35).

Um Jugendliche für das Thema Stadtentwicklung zu sensibilisieren, gibt es vielfältige Ansätze und Projekte:

Die Stadt Heidelberg hat beispielsweise im Mai 2021 ein Grundkonzept zur Kinder- und Jugendbeteiligung in Heidelberg aufgestellt und bewilligt, welches in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Kinder- und Jugendbeteiligung entstanden ist. Mit den Strategien des Grundlagenpapiers soll es Kindern und Jugendlichen ermöglicht werden, in unterschiedlichen thematischen Lebensbereichen Einfluss nehmen zu können. In der Vergangenheit waren bereits mehrere Projekte entstanden, bei welchen die Stadt eine Beteiligung ermöglicht und gefördert hat. So zum Beispiel die „DER ANDERE PARK“ Jugendwerkstatt, oder die Kinderbeteiligung „Lebendige verkehrsberuhigte Bereiche“.

Die App #stadtsache verfolgt eine andere Herangehensweise an das Thema: Mit dem Tool können Kinder und Jugendliche ihre Stadt interaktiv entdecken und dokumentieren, indem sie mit dem Smartphone Fotos, Videos und weiteres aufnehmen. Die App kann im Rahmen des Unterrichts, auf kommunaler Ebene oder in anderen Kontexten genutzt werden und damit einen Beitrag zum digitalen Lernen leisten.

Auch die Urbanisten widmen sich den Herausforderungen der Bildung zur Stadtentwicklung, indem sie zahlreiche Jugendprojekte veranstalten in denen Jugendliche für ihr Umfeld sensibilisiert und zur Beteiligung angeregt werden. Dafür haben sie den Crashkurs „Stadt der Zukunft selbermachen“ konzeptioniert und die Methodenbox „Wir machen Stadt“ erstellt. Über diese und ander Bildungsprojekte der Urbanisten berichten wir unter der Überschrift „Innovative Bildung für die Stadt der Zukunft“  an anderer Stelle auf dieser Seite.

Quellen

Calmbach, M., B. Flaig, J. Edwards, H. Möller-Slawinski, I. Borchard und C. Schleer (2020): Wie ticken Jugendliche? 2020: Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Schriftenreihe / Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2013): Kompass Jugendliche und Stadtentwicklung. Berlin.

Stange, W. (Hrsg.) (2008): Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Stadtplanung und Dorfentwicklung. Aktionsfelder – exemplarische Orte und Themen. Münster.