Urbanisten als Stadtmacher:innen im Unionviertel

Debattenräume und Reallabore für offene Fragen in der Stadtgesellschaft zu schaffen, gehört zur Strategie der Stadt Dortmund, um „Vorreiter wissenschaftlich fundierter sozialer Innovation und innovativer Stadtentwicklung“ (gefunden in: https://www.masterplan-wissenschaft.de/experimentelle-stadt/) zu werden. Drei aufeinander aufbauende Maßnahmenpakete sind hierzu im Masterplan Wissenschaft benannt:

  • Exchange-Programm: Unis laden Bürgerschaft ein, Uni besucht Nachbarschaften. Die Inhalte von Interesse bilden die Debattenräume, um die Stadt der Zukunft gemeinsam zu denken.
  • Co-Creation Smart Rhino: Die Erkenntnisse aus den Debatten zwischen Nachbarschaft und Wissenschaft formulieren Anforderungen an die zukünftige Quartiersentwicklung Smart Rhino (ehem. Stahlwerk) im Unionviertel.
  • Experimentier- und Erprobungsraum „Rhinotopia: Das leerstehende Stellwerk 62 wird zum Hort von Innovation und kooperativer Stadtentwicklung indem Beteiligungsformate stattfinden und Mitwirkung ermöglicht wird.

Bereits im Sommer 2021 wurden im Rahmen des Kunstfestivals Transurban „building common spaces“ in der Nähe des Stellwerks Debatten und multifunktionake Raumszenografien um die Stadt der Zukunft von den Urbanisten in Kooperation mit artrmx, Skateboardinitiative und Studierenden umgesetzt. Erste Debatten um Skaten als Teil von Stadtentwicklung und der selbstorganisierten gemeinwohlorientierten Nutzung öffentlicher Räume konnten zwischen Nachbarschaft und Wissenschaft geführt werden. Auch im Labor für urbane Innovation und Zukunft (LUZI) konnten 2019-2021 durch aktivierende Prozesse Inhalte festgehalten werden, die die Nachbarschaft interessieren, und die in die Wissenschaft und Quartiersentwicklung getragen werden können. Speziell im Sinne der Smart Rhino Entwicklung kann hier auch auf die jahrelange Erfahrung der selbstinitiierten ehrenamtlich tätigen Bürgerbeteiligungsgruppe „Neue Werk Union“ verwiesen werden, die seit 2017 Nachbarschaft und Wissenschaft über die Planungen Smart Rhino informiert und mit Verwaltung regelmäßig zum diskutieren einlud. Im Rahmen des europäischen Reallabors ProGIregs konnten die Urbanisten tief in das Thema natur-based urban regeneration einsteigen, dessen Erkenntnisse für die Quartiersentwicklung genutzt werden können.

Auf Smart Rhino ist in den letzten Jahren viel passiert. Durch massiven Abbruch ist eine übersichtliche Brache entstanden, deren Weiterentwicklung die Menschen vor Ort interessiert. Orte im Umbruch ziehen Kunstschaffende und Studierende an, da sie Möglichkeitsräume für Ideen bieten. Pioniernutzungen sowie temporäre Raumgestaltungen ziehen wiederum Nachbarschaft an und fordern durch künstlerische Interventionen zum Nachdenken auf.

Wir konnten im Projektkonsortium LUZI feststellen, dass sich die Menschen stark für Themen der sozial-ökologischen Transformation interessieren und meist sofort handeln wollen, da Klimakrisen zunehmend begreifbar werden. Bevor die städtische Strategie in der Praxis greift, konnten so bereits durch Stadtmacher:innen Prozesse angestoßen werden, die Dortmund mit sozialen Innovationen und innovativer Stadtentwicklung voranbringen können.

 

Aus dem Masterplan zitiert

„Durch Debattenräume wird der Austausch der Stadtgesellschaft zu dringenden Anforderungen, Problemstellungen und Fragestellungen gefördert. Zum Auftakt der „experimentellen Stadt“ gilt es, Orte und Formate zu entwickeln, die Austausch und Debatten initiieren, befördern und Raum geben. Dies soll in zwei Richtungen geschehen:

  • Die Bürger*innen werden eingeladen im Rahmen von offenen Veranstaltungsformaten (Diskussions- und Vortragsreihen der Hochschulen und Institute) und offenen Begegnungsräumen (z.B. Hochschulbibliotheken) die wissenschaftlichen Einrichtungen zu besuchen und sich dort über aktuelle Forschungsthemen zu informieren. Außerdem ist vorgesehen, dass die Vertreter*innen der wissenschaftlichen Einrichtungen die Stadtgesellschaft aktiv aufsuchen, im Stadtraum präsenter sind und Bürger*innen in ihrem alltäglichen Umfeld begegnen. Das kann beispielsweise durch die „Bereisung“ der Stadtbezirke mit dem „Wissenschafts-Bulli“ der Fachhochschule, die (temporäre) Umgestaltung des öffentlichen Raumes, die kreative Nutzung von Leerständen oder zeitweilige Raumnutzungen für spezielle Events (z.B. Seminarpräsentationen in der Innenstadt) erfolgen.
  • Aus den Debattenräumen werden konkrete Projekte vor Ort („Reallabore“) abgeleitet. In diesen Reallaboren werden gemeinsam mit stadtgesellschaftlichen Akteur*innen, interessierten Bürger*innen und unter Einbezug der Wissenschaft Lösungen erarbeitet und experimentell erprobt. Erfolgreiche Projekte werden darüber hinaus auf ihre Übertragbarkeit überprüft.“

„Der zweite Strang der Themengruppe sieht vor, die Erkenntnisse erfolgreich durchgeführter Debattenräume, Projekte und Reallabore aus dem ersten Strang in die Planung und Entwicklung neuer urbaner Quartiere einfließen zu lassen und diese als Innovationslabor zu nutzen. Dies soll vor allem am Pilotprojekt SMART RHINO erprobt, angewandt und umgesetzt werden. Hier besteht die Chance, das Zusammenspiel von Leben, Lernen, Forschen und Arbeiten innovativ, smart und digital zu konzipieren und umzusetzen.“

„Zu einer gelungenen, aktivierenden Beteiligung stadtgesellschaftlicher Akteur*innen und interessierter Bürger*innen gehört, dass diese an der Ideenfindung und Konzeption der Projekte teilhaben. Daher werden Projekte nicht im Masterplan Wissenschaft 2.0 selbst festgelegt, sondern werden aus den experimentellen Debattenräumen heraus entwickelt. Je nach Ausgangslage werden Vorgehensweisen und Umsetzungsmöglichkeiten entsprechend angepasst und ausgestaltet. Exemplarisch können Themen wie „Grüne Schule“, „Mobilität im Alter“, „Robotik für Kinder“ o.ä. gemeinsam bearbeitet werden.“

„Im Zuge des vom Rat der Stadt Dortmund beauftragten informellen Beteiligungs- und Mitwirkungskonzepts für die Entwicklung des Zukunftsprojekts SMART RHINO soll das derzeit leerstehende Stellwerk 62 zu dem offenen Experimentier- und Erprobungsraum „Rhinotopia“ entwickelt werden. Initiativen, Vereine und Akteur*innen
aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie engagierte Bürger*innen sollen hier die Möglichkeit erhalten, neue Ideen, soziale und technische Innovationen zu entwickeln, auszustellen und hinsichtlich ihres gesellschaftlichen Nutzens und ihrer Anwendbarkeit zu testen. „Rhinotopia“ soll so zu einer Keimzelle für verschiedenste kreative und innovative Ideen rund um die Stadt der Zukunft werden. Ziel ist es neue Erkenntnisse und Produkte zur Weiterentwicklung von Innovationen und kooperativer Stadtentwicklung zu erlangen. Dazu werden auch die Ergebnisse aus den Beteiligungsformaten „Rhino Forum“ (begleitende Veranstaltungsreihe zu Themen der Ruhr Academy) und „Rhinovous“ (Begegnungen, Beteiligung und Mitwirkung ermöglichen) herangezogen.“

„Die Steuerung, Koordination sowie die begleitende informelle Öffentlichkeitsarbeit des SMART RHINO-Partizipationsprozesses obliegt der Koordinierungsstelle „nordwärts“ in Kooperation mit den verschiedenen Fachbereichen der Stadt Dortmund und der Thelen Gruppe als Investor. Hier entwickelte Konzepte, Verfahren
und Managementtools können zielführend auf den geplanten Prozess übertragen und angepasst werden. Basis der vorgesehenen Mitwirkungsangebote ist die im Februar 2020 fertig gestellte Machbarkeitsstudie SMART RHINO, die den ersten Rahmen zur Information und Beteiligung der Öffentlichkeit bildet.“

 

Quelle: Masterplan Wissenschaft 2.0 Dortmund, Januar 2021 (Stadt Dortmund)
Abbildung: Beteiligungsformate und Zeitplan SMART RHINO (Stadt Dortmund/“nordwärts“)