Wie geht kooperative Landschaftsentwicklung?

Wie geht kooperative Landschaftsentwicklung? Dieses Frage beschäftigt uns schon seit Beginn des Reallabors. Sowohl bei der Nachhaltigkeitskonferenz im September 2019 als auch beim Kick Off im November 2019 haben die Besucher:innen nicht nur den Bedarf an mehr Grün, Natur und Teilhabe an der Entwicklung von Gemeinschaftsflächen geäußert, sondern auch den Wunsch nach einer stärker auf Zukunftsfähigkeit, Klimaschutz und soziale Herausforderungen ausgerichtete (Landschafts-)Architektur und stärkere Netzwerke für die urbane Transformation in Dortmund. Aus dem Kontakt mit dem Netzwerk lala.ruhr, einem daraus entstandenen Konzeptvorschlag für den Regionalverband Ruhr und letztlich Handlungsempfehlungen, die das lala.ruhr Netzwerk 2020 und 2021 erarbeitet hat, sind einige Inhalte, Antworten und Vorschläge für das Ruhrgebiet entstanden.

Als Teil der „Green Infrastructure Strategy“ der Stadt Liverpool entwickelt eine gemeinützige Organisation Wälder und grüne Freiräume, das zu einem wachsenden Netzwerk entwickelt wird. Entstanden ist diese Organisation aus einer Bewegung, die in den 1990er Jahren Brachlandschaften nahe der Stadt sanierte sogenannte Community Forest. Als Beispiel für „Orte der koproduktiven Landschaftsentwicklung [sind sie] die Basis für die heute verbreitete Praxis der engen Kooperation verschiedener Akteur:innengruppen“ (Bathen/Below/Broy et al. 2021: 14). Auch in Manchester existiert ein starkes Netzwerk aus unterschiedlichen Grünräumen, das die Stadt in Kooperation mit Landbesitzer:innen, Unternehmen, Stiftungem, Institutionen, Einzelpersonen und zivilgesellschaftlichen Organisationen entwickelt und stärkt. Obwohl Claudia Hehm 2016 in einer Studie zu den Community Forests in Liverpool deutlich macht, dass weniger ökologische als vielmehr wirtschaftliche Interessen hinter dieser Entwicklung stehen und die Community Forests ihrer Meinung nach nicht per se als positivies Beispiel für eine nachhaltige Entwicklung dienen können, haben diese Prozesse laut lala.ruhr dennoch „zahlreiche Handlungsfelder und Gestaltungsspielräume für innovative und grüne Unter-nehmer:innen im Bereich Umweltbildung und Natur geschaffen hat“ (ebd.).

Die Stadt Vancouver hat sich 2010 das ergeizige Ziel gesetzt, Vancouver zur grünsten Stadt zu machen und in dem Zuge nicht nur eine breite und ansprechende Öffentlichkeitskampagne umgesetzt mit der 30.000 Menschen erreicht wurden, sondern auch die Programme „Neighbourhood Food Network” und „Greenest City Neighbourhood Grants Program” realisiert, die den nachhaltigen Lebensmittelkonsum fördern und zahlreiche Inititiven für urbanes Gärtern, Kurse und Seminare und Gemeinschaftsküchen unterstützt und damit zivilgesellschaftliche Organisatinen empowert und zu Kooperationen anregt.

Das „Programme de végétalisation” des Metropolraum Paris, das 2014 bis 2020 umgesetzt wurde umfasst nicht nur ökologische sondern auch gesellschaftliche positive Veränderungen. Bei der Maßnahmen, die auf „den wachsenden Bedarf nach mehr Grün und Natur in der Stadt“ (ebd.: 15) reagieren, wurden die Menschen immer wieder aktiv integriert. Neben großen Online-Befragungen umfasste die Strategie auch die Unterstützung und Umsetzung von vielen kleinteiligen Maßnahmen, die es ermöglichte, dass in Paris gemeinsam mit der Bevölkerung ein neues grünes Stadtmodell entstanden ist, das ökologische, klimatische und gesellschaftliche Aspekte vereint. Der Erfolg des Pariser Modells zeigt sich laut lala.ruhr darin, dass es gelungen ist, „konkrete ökologische Aufwertungsmaßnahmen zu realisieren, die sozialen Bindungen und die Identifikation der Bewohner:innen zu stärken und gleichzeitig die Lebensbedingungen zu verbessern“. An mehr als 200 Orten wurden in Paris Genehmigungen für Begrünung erteilt, 2.000 Bürger:innen erhielten einen Begrünungsschein mit dem sie sich im öffentlichen Raum ein kleines Stück Garten anlegen konnte und dabei Unterstützung von Gartenexpert:innen erhielten. Darüber hinaus gab es umfassende Informationen, Workshops und die Website „Végétalisations Paris”, auf der die Projekte zu finden sind, die aber auch Austausch und weitergehende Information ermöglicht. lala.ruhr ist überzeugt, dass das Pariser Beispiel großes Inspirationspotenzial auch für das Ruhrgebiet birgt.

Nach Schneidewind benötigt die nachhaltige Transformation und die damit verbundene Zukunftsgestaltung „umfassende Innovationen“ (Schneidewind 2017). Innovationen und die sich daraus entwickelnde Transformation lassen sich aus LUZI- Sicht nur erreichen lassen, wenn ihre Entwicklung zusammen mit Teilhabe gedacht und umgesetzt wird. Auch das Team von lala.ruhr beschreibt in seinen Handlungsempfehlungen die Aspekte Innovation, Transformation, Teilhabe und Co-Kreation als essentiellen Bestandteil für die Weiterentwicklung der Grünen Infrastruktur im Ruhrgebiet (vgl. Bathen/Below/Broy et al. 2021: 16). Dabei sind die Kernthesen und Aufforderung von lala.ruhr die folgenden:

„Für die Entwicklung und die Verbreitung sozialer Innovationen spielt Vernetzung eine große Rolle. Je besser die Akteur:innen vernetzt sind, umso weiter verbreiten sich ihre Innovationen“ (ebd.: 17)

„Bei der Entwicklung dieser ‚Zukunftskunst von Transformation‘ [nach Uwe Schneidewind] spielen Bildung und Teilhabe eine große Rolle. Denn sie tragen dazu bei, ein Problembewusstsein zu entwickeln, was dazu animiert, die Transformation partizipativ mitzugestalten.“ (ebd.)

„Teilhabe braucht also mehr als Einladungen zu Beteiligungsveranstaltungen. Teilhabe braucht ein gegenseitiges Bewusstsein für ein produktives Zusammenwirken der Akteur:innen, bei dem in einem gemeinsamen Prozess eine hohe Qualität entsteht.“ (ebd.: 18)

„Das ‚Ziel von Empowerment sind aufgeklärte, emanzipierte Menschen, die für die eigenen Interessen und die Interessen von Unterrepräsentierten eintreten‘, beschreibt es das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2020. Die entstehenden Reibungen oder Konflikte sind essenzieller Teil vielfältiger Stadtpolitik. Zu den Akteur:innen einer solchen ‚Ermöglichungskultur‘ zählen ganz zentral Vertreter:innen von Verwaltung und Institutionen und auch die Mitglieder von Stadt-, Regional oder Landesparlamenten.“ (ebd.: 17-18)

Als LUZI Team plädieren wir in Dortmund und im Ruhrgebiet dafür bei der Entwicklung von Brachflächen mehr Gestaltungsspielräume zu schaffen, die Handlungen, Experimente und das Neudenken von Flächenentwicklung und -gestaltung und damit Innovation, Teilhabe, Co-Creation und letztlich Transformation ermöglichen.

Hintergrund

Am 3. Februar haben wir uns das erste Mal mit Sebastian Schlecht von lala.ruhr getroffen. Als Ideengeber und Gründer des Netzwerkes lala.ruhr – think landscape kam er mit der Vision einer großen Biennale im Ruhrgebiet im Jahr 2022 zum Thema nachhaltige Landschaftsarchitektur auf uns zu. Um den Konzeptionierungs-, Aktivierungs- und Finanzierungsprozess bis zu diesem erklärten Ziel zu erreichen,

Im Frühjahr 2020 haben wir Sebastian Schlecht und Melanie Kemner vom Netzwerk lala.ruhr bei der Entwicklung des Konzeptes „Strategisch-Konzeptioneller Beitrag zur Kommunikationsoffensive Grüne Infrastruktur Metropole Ruhr“ unterstützt. Hintergrund dieser Kooperation ist die Kontaktafnahme von Sebastian Schlecht Anfang Februar mit dem LUZI Team, um gemeinsam über die Vision einer großen Biennale zum Thema nachhaltige Landschaftsarchitektur im Ruhrgebiet zu sprechen und mögliche Konzeptionierungs-, Aktivierungs- und Finanzierungsprozesse zu erarbeiten. Durch den Kontakt mit dem Regionalverband Ruhr (RVR) hat das Team von lala.ruhr im April die Möglichkeit erhalten, das Konzept als Angebot einzureichen und nach Erhalt des Zuschlags das Projekt „Beitrag zur Kommunikationsaoffensive Grüne Infrastruktur für lala.ruhr-Netzwerk“ ab Anfang Oktober 2020 durchzuführen.

Neben einer Ideenschmiede mit zentralen Akteur:innen für Landschaftsentwicklung und Grüner Infrastruktur hat das Team zahlreiche Interviews geführt und ausgewertet und im Februar 2021 das Festival „lala.ruhr – das labor für die landschaft der metropole ruhr“ im digitalen Raum durchgeführt. Alle Forschungs- und Umsetzungsergebnisse wurden vom lala.ruhr Team aufbereitet und sind in die „Handlungsempfehlungen Strategisch-Konzeptioneller Beitrag zur Kommunikationsoffensive Grüne Infrastruktur Metropole Ruhr“ für den RVR eingeflossen. Die Handlungsempfehlungen wurden im Juli 2021 veröffentlicht unsind die Grundlage für diesen Blogartikel.

 

Quellen:

Bathen, Annette/Below, Sally/Broy, Sonja/Bunse, Jan/von Hagen, Juliane/Kemner, Melanie/Krentzek, Matthias/de Medici, Isabella/Pilgrim, Roman/Schlecht, Sebastian (2021): Handlungsempfehlungen. Strategisch-Konzeptioneller Beitrag zur Kommunikationsoffensive Grüne Infrastruktur Metropole Ruhr. Gelsenkirchen.

Schneidewind, Uwe (2017). Die Große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels, Frankfurt am Main.